Eine Stadt ist klein, wenn man alles zufuß erreicht. Eine Stadt ist sehr klein, wenn man mehr schafft, als man sich vornimmt, und dann immer noch 2 Stunden Zeit totzuschlagen hat. Wie in Cambridge.
Mit einer Schneewarnung im Gepäck - ,,zum Glück" hat es nur genieselt - habe ich mich 2 Stunden in den Bus gesetzt und die weltberühmte Unistadt besucht, die für ihre 120.000 Einwohner sehr klein, noch ruhiger und insgesamt besonders unspektakulär ist. Ich bin fast versucht, zu prophezeien, die Studenten seien nur so gut, weil sie einfach nicht besseres als Lernen zu tun haben ;)
Cambridge ist eine große Steinwüste, die von Kirchen und Unigebäuden dominiert wird (man glaubt wirklich, erschlagen zu werden und kann die Gebäude anfangs kaum auseinander halten). Es gibt Städte, die haben Unis, und dann gibt es Städte, die sind Unis, so wie Cambridge - die vielen Shops drumherum scheinen eher zufälliges Beiwerk. Außerdem ist das Städtchen buchstäblich nahe am Wasser gebaut, denn wo man auch hinsieht, könnte man im nächsten Moment baden gehen: Ob Fluss, Kanal oder sumpfige Parks, jemand mit weniger Glück als ich hätte heute bestimmt einen falschen Schritt gesetzt. Ich muss gestehen, Cambridge ist durch und durch charmant, besonders, wenn einem bei Architektur das Herz aufgeht. Die schläfrig-ruhige Stadt ist besonders abends schön, wenn man am Fluss vorbeiwandert und die Kahnfahrer beobachtet oder die Lichter in den Buntglasfenster der sterbendschönen Kapellen und Hallen sieht. Ich wette, besonders im Sommer verliebt man sich schnell und habe über Oxford gehört, aus der Vogelperspektive sei das Steinlabyrinth plötzlich ein grüner Tempel. Solltet Ihr mal in die Verlegenheit eines Hubschraberflugs dort kommen - machen!!! Ich befürchte aber, dass das Leben dort insgesamt eine Winzigkeit langweilig werden könnte.
In nur wenigen Stunden hatte ich "alles" gesehen,was ich wollte, denn auch bei den Museen gilt "klein, aber fein": Zunächst mal den Botanischen Garten umrundet, der im Winter nicht viel her machte, deshalb habe ich mir das Geld gespart - ist aber sehr hübsch am Kanal gelegen und da blühts im Sommer vermutlich prächtig. * Das
Fitzwilliam Museum ist das mit Abstand größte, schönste und beste Museum in Cambridge, gratis versteht sich! Neben Bildern von Rubens, Rossetti & Millais gibt es dort viele andere Bilder, moderne und traditionelle Glas- und Keramikunst, etwa Koreanischer oder Japanischer Art, eine Fächerabteilung, Griechische und Römische Statuen und Ägyptische Sarkophage. Besonders umgehauen hat mich der Empfangsraum am Haupteingang - ich habe ja schon einige Schlösser, Museen und den Royal Pavilion in Brighton besichtigt, aber das heute hat mir die Socken ausgezogen. Mamor, Säulen, aufwändige Glasfenster, Büsten - das Foyer ist ein Overkill der ganz großen Art. Wer in Cambridge nicht hingeht, ist selbst schuld. Nur Fotos durfte ich nicht machen :( * Das
University Museum of Zoology, das
Whipple Museum of the History of Science, das
Sedgwick Museum of Earth Sciences, das
University Museum of Archaeology & Anthropology und
Scott Polar Institute waren alle kostenlos und echt nicht schlecht, aber leider durchschnittlich 3 Räume groß und damit schnell erledigt. Das
Folk Museum war nicht teuer, aber dennoch hab ich es liegen lassen. Das
Museum of Classical Archaeology habe ich leider übersehen... klingt aber relativ vielversprechend. * Die
Ruskin Gallery zu finden, ist tricky, denn die meisten Studenten wissen nichts von der Existenz der Gallerie auf dem Campus. Hat sich auch nicht gelohnt, hinzugehen, denn die gegenwärtige Ausstellung sieht aus wie Kindergartenbilder. Angeblich gab es vor wenigen Tagen noch eine tolle Ausstellung der Masterstudis. Das
Byard Art gegenüber King's College verkauft und zeigt ein paar Kunstwerke, die zwar gut, aber mit bis zu 2500 Pfund meiner Meinung nach zu teuer sind. Die Gallerie
Kettle's Yard verdient ihren Namen für die gefühlten 5 Ausstellungsstücke nicht und die Hauptattraktion, ein Haus, war heute für einen privaten Zweck geschlossen - sehr, sehr schade! Die Bilder sehen sehr interessant aus :( Nach
Williams Art habe ich vergeblich gesucht, denn es ist nicht auf Schildern abgebildet. Überhaupt ist man in Cambridge gnadenlos der Hilfsbereitschaft der netten Anwohner ausgeliefert, denn ohne die findet man in der Winzstadt fast nichts.
Natürlich habe ich noch viele andere Colleges, die Seufzer- und Mathematikerbrücke mitgenommem. Zum Schmunzeln - eine im
Scott Polar Institute ausgestellte Sonde wurde nach Harry Potters "Triwizard Tournament" (Trimagisches Turnier) benannt, ich musse echt lachen.
Fazit: Schön, aber ein Tag reicht vollkommen und noch mal hin muss nicht sein. Meine Begeisterung wurde etwas davon gedämpft, dass ich über eine Stunde in der Eiseskälte auf den verspäteten Bus warten musste...
Ich fuhr seinerzeit an einem sonnigen Herbsttag mit dem Zug nach Cambridge. Die Stadt wirkte ganz anders und viel lebhafter.