Mein letzter unverplanter Tag in London neben dem Wochenende, daher heute rund um Holborn und Temple die "Inns of Courts" besucht, denn diese (und die dazugehörigen Kapellen) sind nur an Wochentagen geöffnet. Der Besuch lohnt sich garantiert, besonders das Lincoln's Inn verdient für Gebäude und malerische Gartenanlage nebst Rosen und Brunnen das Prädikat "sehr schön". Im Vergleich dazu schnitt Gray's Inn nur mittelmäßig ab, und leider war der Zutritt zum Mittle und Inner Temple beschränkt. Definitiv etwas für Potter-Fans oder Liebhaber von Unistädten, denn so ein alter Gebäudekomplex könnte locker eine hochkarätige (Zauber-)Schule beherbergen. Direkt nebenan liegt ja auch das Freemasonry Museum, das heute endlich mal geöffnet hatte. Gebäude: Wow-Effekt, man kommt sich wie ein Logenanhänger vor, wenn man diese geheimnisvollen Marmorgänge durchstreift. Das Museum ist sehr klein, aber es gibt kostenlose Touren und ich durfte mir ein Buch mit wunderschönen Malereien allein ansehen, als ich darum bat.
Leider gibts in der Brunei Gallery erst ab nächster Woche wieder etwas zu sehen (zu spät für mich). Daher ging es zu King's Cross (bzw. Euston), wo ich eine absolut geniale Installation kanadischer Künstler in der Krypta der dortigen Kirche bestaunen konnte. Klein, aber oho! Einer der Künstler führte mich in der stockdunklen
The Crypt herum, wo "White Noise" aus der Kirche live in bunte Pixel übersetzt und an die unterirdischen Gebäuer geworfen wird. Eine Erkennungssoftware sucht in diesem zufälligen Farbmuster nach vorab ausgesuchten Piktogrammen und projeziert diese Bilder in unglaublicher Geschwindigkeit an die Wand. Verrückt, psychedelisch, einzigartig, sehenswert!
Dagegen sparen kann man sich wirklich das
Royal Institute of British Architects und die gegenwärtige Ausstellung
Venice Takeaway. Klein, und ansonsten gibt es nichts zu sehen.
Die restliche Zeit mit einem kleinen Sinnlos-Ausflug nach Greenwich (der Marktstand, zu den es mich zog, war heute nicht da, also muss ich Samstag wiederkommen) und einem Mikroshoppingtrip auf der Oxford Street verbracht. Denn: Ich habe eine Tageskarte für
A Chorus Line ergattert, und zwar einen mittigen Platz in der allerersten Reihe ;) Außerdem habe ich eine coole Frau kennengelernt, die in der Theaterwelt arbeitet und ein Praktikum im Globe Theatre hinter sich hat - in Musicals trifft man nur die interessantesten Menschen.
Das Musical ist sehr clever inszeniert und toll choreographiert, in den Songs werden viele Leute und verschiedene Inhalte faszinierend miteinander verknüpft. Es hat etwas Psychologisches, dieses Backstage Musical mit seinen vielen einzigartigen Charakteren, ihren Geschichten und Motiven: Gerade, wenn aus den Individuen in den Gruppennummern ein anonymer Chorus gemacht wird, sieht man plötzlich eine groteske Metaebene im Stück auftauchen, die sonst nur sacht angedeutet wird. Es ist selten, dass man von mir zu hören bekommt, dass ein Musical OHNE Bühnenbild und Requisiten (auch ohne Kostümwechsel, wenn man vom Finale absieht) sehr erfolgreich und gut sein kann, aber das Stück hat wirklich kein Bühnenbild benötigt, es hätte nur abgelenkt. EastEnders-Star
John Partridgespielt den kreativen Kopf der Produktion und verbringt die Hälfte des Stücks im Rücken des Publikums, wo er das Geschehen auf der Bühne kritisiert bzw. die Anwerber interviewt - seine Stimme war extrem angenehm, und da man zwischen Bühne und Partridge saß, hatte man das Gefühl echter Intimität - und das, obwohl hunderte Leute im Publikum saßen (was auch faszinierte, als sie die Spiegel rausholten und man alles sah, was hinter einem passiert). Meine einzige Kritik ist, dass das Stück so viele tolle Charaktere hat (die alle ihr Scheinwerferlicht zur Genüge bekommen!), dass oft nur an der Oberfläche gekratzt wird. So gibt es im gesamten Stück Spannungen zwischen Judy und Zach (Partridge) , aber keine Romanze bzw. diese wird nicht aufgelöst. Das Stück macht gute Ansätze, verliert sich aber irgendwie etwas in Nichtigkeit und hätte einfach noch etwas länger sein dürfen, damit das ganze super Material auch ,,zum Schluss" gebracht werden kann! Der Casting-Director war letztendlich nie streng, sondern schlichtweg professionell mit großem Herzen, die Zicke eigentlich nie zickig usw... mir hätte es noch extremer sein dürfen. Aber insgesamt schon absolut sehenswert!