Meine Erwartungen an meinen Ausflug nach Stratford-Upon-Avon (Geburts- und Sterbeort von Shakespeare) waren nicht die größten nach meiner nur mäßigen Begeisterung für Cambridge und den Aussagen verschiedener Leute, ich "solle nicht zu viel erwarten" und die Stadt sehr sehr "tourismusorientiert". Auch, dass es bei meiner Ankunft erst mal leise schneite, trug nicht zur Begeisterung bei. Wie habe ich mich getäuscht! Am Ende schien wunderschön die Sonne und ich wollte nicht mehr weg.
Nach den ersten unscheinbaren Straßen gelangt man innerhalb von 5 Minuten ins Town Centre und ich habe mich prompt verliebt. SUA besteht aus wunderschönen alten Fachwerkhäusern, roten Backsteingebäuden und Mini-Shops, die entweder bekannte Marken feilbieten, süße Cafés beherben (ganz vorne mit dabei scheinbar immer das Angebot von Cream Tea [Kaffe/Tee + Scones mit Marmelade und Clotted Cream]) oder das Kaufen hausgemachter Konfitüre bewerben. Daneben finden sich interessant viele Süßigkeitenshops (dem Honigtopf wird hier Konkurrenz gemacht!!!) und urige, mir teilweise unerklärliche Geschäfte (ganzjähriges Weihnachtszubehör, Esoterik, Peter Rabbit...). Das Stadtbild ist trotz der überschaubaren Größe herrlich, am Fluss hat man den Eindruck einer Meeresstadt mit den vielen Ausflugboten, Möwen und Schwänen sowie den unendlich langen Strecken Natur, die sich am Wasser entlangwinden. Mein Eindruck am Ende war: Shakespeare hat alles richtig gemacht: Hier geboren werden, aufwachsen und sterben, aber zwischendurch London genießen. Mit dem Konzept könnte ich auch meinen Frieden schließen: Traumhaft!!!
Natürlich spielt fast jeder Pub mit Shakespeares Werken, aber ich fand es nicht übertrieben "touristisch", sondern stilvoll gemacht. Wenn man mal von den HORRENDEN Preisen absieht (als Student zahl ich immer noch 10.50 für den Sightseeing-Bus, dabei wollte ich den nicht für ne Stadtrundfahrt, sondern zu den zwei außerhalb der Stadt liegenden Familienhäusern... UND auch, wenn man 12 Monate unbegrenzten Eintritt bekommt und der Wert bei 35 liegt, selbst mit kombinierten Eintritt, Studentennachlass und Online-Buchung zahl ich noch knapp 20 Pfund, um mir die wichtigsten Gebäude anzusehen...). Hier gibt es keinerlei Gratismuseen, anders als etwa in Cambridge kostet hier jede überschrittene Türschwelle einige Pfund. Ich als großer Fan war natürlich begeistert von Shakespeares Geburtshaus, New Place, Nash's House, Croft's Hall, Mary Arden's Farm und Anne Hathaway's Cottage. Toll war auch die Holy Trinity Church mit Shakespeares Grabmal, immerhin hab ich schon Romane gelesen, in denen die vorkam, und am Avon liegt sie ebenfalls malerisch. In allen Häusern finden sich kostenlose Infoblätter und Karten, man darf Fotos machen, bekommt nette Hinweise, Gratis-Kuchen und die Angestellten sind fröhliche Leute, die gerne die bunten Kostüme tragen, für dich Stücke rezitieren oder Lieder singen. Jetzt im April lohnte es sich schon, vor allem die Gärten zu erkunden und jedem sei gesagt: Der 5 Häuser-Pass lohnt sich unbedingt, allein die kurze Fahrt dorthin ist dank der schönen Landschaft und den sterbend schönen Stadthäusern und Cottages schon empfehlenswert. Im Bus bekommt man Kopfhörer geschenkt und erfährt auch als Experten-Shakespeare-Freak (c'est moi) noch viele interessante und lustige Details aus der Zeit um 1600. Bei Mary Ardens Farm gibt es ganztägig kostenlose Programmpunkte wie "Tudor Dancing" oder "Falcony"; es handelt sich um eine arbeitende Tudorfarm, wo man Schweine, Eulen, Gänse, Pferde, Kühe, Ziegen, Enten, Rehe etc. sehen, füttern und streicheln darf, alle Gebäude sind in allen Stockwerken begehbar und epochengetreu eingerichtet. Ich habe es sehr genossen, durch die blühenden Gartenanlagen zu wandeln und meine einzige Kritik ist: Man hat einfach nicht genug Zeit an einem Tag, egal, wie klein die Stadt ist! Gerade Shakespeares Geburtshaus mit dem aufwendig gestalteten Museum und der First Folio kann man sich dank Filmausschnitten & Co. eigentlich kaum lang genug ansehen. Nebenan liegt übrigens ein cooler Zaubereiladen nebst Museum, wo man auch Harry-Potter-Zeug kaufen und Butterbier probieren kann. Magic Alley, echt mal hingehen und genießen!
Genossen habe ich ferner die Butterfly Farm, das größte Schmetterlingshaus im Vereinigten Königreich (beherbergt auch Papageien, Spinnen, Insekten, Leguane etc.) und eine herrliche Tropenlandschaft mit Wasserfällen, Teichen, Brücken, exotischen Pflanzen und und und. Ich durfte sogar später am Tag, als die Museen geschlossen hatten, wieder mit demselben Ticket hinein und habe noch eine Stunde Schmetterlinge auf meine Hand gelockt, ihnen beim Schlüpfen zugesehen, meine Spinnenphobie strapaziert und den Shop ausgekundschaftet. Doch auch danach habe ich mich nicht gelangweilt: Direkt nebenan am Avon liegt das Theater der Royal Shakespeare Company, ohne Frage der coolsten Theatervereinigung der Welt (und zufälligerweise auch der größte klassische Theaterverein auf dem Planeten, der mit Stars wie Judi Dench und David Tennant arbeitet). Weil die einfach klasse sind, stellen sie die unglaublichen Kostüme zum Anfassen und Fotografieren aus. Man darf auch ohne Theaterticket das Gebäude erkunden und ich hatte Spaß dabei, mich im Spiegelabyrinth zu verirren. Theaterstücke, Schmetterlinge, Harry Potter, Architektur, Natur und Shakespeare-Overkill... wenn ich nicht wiederkomme, mache ich eine Bootstour auf dem Avon und schreibe Sonette inspiriert durch meine private Shakespeare-Büste!
Fotos folgen, hier ists schon spät. Übrigens, ich hab mein Ticket nicht unterschrieben und würde es für schlappe 9 Pfund inklusive Gutschein für den Sightseeing-Bus verkaufen, damit jemand anderes einmal oder die nächsten 12 Monate lang damit Spaß haben kann. Bitte bei Bedarf melden :)